Erfolgreiche Umstellung auf eine Selbstzahler- und Privatpraxis: Ein Leitfaden

Diese Woche wurde ich in eine Praxis eingeladen, die nach 19 Jahren ihre Kassenzulassung zurückgegeben hat und nun als reine Selbstzahler- und Privatpraxis agiert. Diese Umstellung bringt viele Herausforderungen mit sich, sowohl für die Patienten als auch für das Praxisteam. Was müssen Sie für die Zukunft beachten, um den Übergang erfolgreich zu gestalten?

Ein klares Praxiskonzept und Orientierung

Für viele Patienten ist die Nachricht, dass ihre bisherige Praxis zukünftig auf Privatpatienten umstellt, ein Schock. Auch Kollegen und das Praxisteam sind oft verunsichert. Ein strukturiertes Konzept und klare Kommunikation helfen, diese turbulente Anfangszeit zu überbrücken.

Das Ziel ist es, neben den Privatversicherten auch die gesetzlich Versicherten über das Angebot und die Möglichkeiten der Praxis zu informieren. Jeder Patient kann die Leistungen der Praxis in Anspruch nehmen; der Unterschied liegt lediglich in der direkten Honorierung durch den Patienten und nicht durch die Krankenkasse. Patienten haben dennoch die Möglichkeit, ihre Rechnungen bei der Krankenkasse einzureichen und eine Beteiligung anzufragen.

Anforderungen an eine Selbstzahler- und Privatpraxis

Strategische Ausrichtung

Eine strategische Ausrichtung ist dringender denn je. Es ist wichtig, nicht erst zu reagieren, wenn die Patienten ausbleiben, sondern proaktiv vorzugehen.

Einstellung und Aufgeschlossenheit

Die Umstellung ist in erster Linie eine Frage der Einstellung und Aufgeschlossenheit gegenüber dem Markt, insbesondere in Bezug auf die Betroffenen. Die Praxis tut gut daran, auf die Bedürfnisse der Patienten nach medizinischen Leistungen sowie Behandlungs- und Betreuungserlebnissen eingehen und darf sich nicht nur auf Kampagnen verlassen.

Kommunikation und Vertrauensverhältnis

Der zunehmende Verdrängungswettbewerb verlangt eine erfolgreiche Kommunikation und die Schaffung einer Praxis-Persönlichkeit. An oberster Stelle steht die Seriosität der Kommunikation. Das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten, Arzt und Mitarbeiter muss stets gewahrt bleiben, um Imageschäden zu vermeiden.

Positionierung und Stärken

Positionieren Sie sich und Ihre Praxis, indem Sie Ihre Stärken hervorheben. Eine klare und charmante Kommunikation, die die Patienten interessiert und informiert, ist entscheidend. Entscheidungen entstehen zu 90% aus dem Bauch heraus, daher muss die Kommunikation so gestaltet sein, dass sie nicht in einen Abwehrmechanismus führt, sondern positiv und kompetent wahrgenommen wird.

Steigende Ansprüche und Patientenorientierung

Patienten wollen heutzutage umfassend beraten und verstärkt in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Eine Studie der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt, dass 51% der Patienten (Tendenz weiter steigend) diesen Anspruch haben. Es ist wichtig, den Patienten Raum zu geben, die Wirksamkeit der Möglichkeiten kritisch abzuwägen und die Ziele genau zu erklären. Die Zufriedenheit der Patienten hängt stark von der wahrgenommenen Qualität der medizinischen Versorgung ab.

Service und Qualität

Die Differenz zwischen der vom Patienten erwarteten Qualität und der tatsächlich wahrgenommenen Qualität ist entscheidend. Ein umfassender Ansatz, der medizinische, pflegerische und Service-Leistungen umfasst, sowie gegenseitiger Respekt und Vertrauen, sind grundlegend. Eine vollständige Patientenorientierung und die Befriedigung der Bedürfnisse der Patienten sind unerlässlich.

Technische und organisatorische Anforderungen

In Zeiten angespannter Wirtschaftslage wägen Patienten ihre Wünsche und Notwendigkeiten gründlicher ab. Herausragender Service wird somit noch wichtiger. Um diesen bieten zu können, müssen Technik, Systeme, Prozesse und Ziele ineinandergreifen. Eine stimmige und benutzerfreundliche Internetpräsenz bringt klare Wettbewerbsvorteile und entlastet die Mitarbeiter, die sich besser um die Patienten kümmern können.

Kommunikationsstrategien

Das Telefon ist eines der wichtigsten Marketinginstrumente in jeder Arztpraxis. Der Erstkontakt des Patienten findet fast ausschließlich über das Telefon statt. Durch Kompetenz, Freundlichkeit und Höflichkeit macht sich der Patient bereits ein Bild von der Praxis. Ist das Telefonverhalten gut, kommt der Neupatient mit einem guten Gefühl und erwartet weiterhin positive Erlebnisse. Ein negativer erster Telefonkontakt kann hingegen die Einstellung zur Praxis stark negativ prägen.

Online-Präsenz und Bewertungsportale

Mehr als zwei Drittel der Deutschen sind online. Eine stimmige und benutzerfreundliche Internetpräsenz bringt klare Wettbewerbsvorteile. Achten Sie dabei auf Corporate Identity (CI), kurze Ladezeiten, Aktualität und übersichtliche Navigation. Auch die Einbindung von Bewertungsportalen ist wichtig, da diese eine zunehmende Rolle im Verdrängungs- und Kommunikationswettbewerb spielen.

Fazit

Die Umstellung auf eine Selbstzahler- und Privatpraxis erfordert eine klare strategische Ausrichtung, eine offene Einstellung und eine zielgerichtete Kommunikation. Mit einem strukturierten Praxiskonzept und einer konsequenten Umsetzung können Sie den Übergang erfolgreich meistern und sowohl Privat- als auch gesetzlich Versicherte von Ihrem Angebot überzeugen. Positionieren Sie Ihre Praxis durch das Hervorheben Ihrer Stärken und richten Sie Ihre Aktivitäten konsequent auf die Bedürfnisse Ihrer Patienten aus. 

Viel Freude und Erfolg in und an Ihrer Praxis wünscht Ihnen 

Michaela Lückenotto 

Coachin & Mediatorin im Gesundheitswesen