Verbale Angriffe

  • Umgang mit schwierigen Kolleginnen und Kollegen
  • Konfliktarten und -typologien
  • Konfliktverhaltensstile und -vorschläge

Regeln

Nr. 1: Gefahr erkannt: Gefahr gebannt!

Bei drohender Gefahr eines verbalen Angriffs so früh wie möglich präventiv reagieren, wenn eine friedvolle emanzipatorische Gesprächssituation erzeugt werden soll.

Nr. 2: Ruhe bewahren und nicht schreien!

„Wer schreit, hat Unrecht.“ Das stimmt zwar nicht immer, aber es wird einem schnell unterstellt. Gehen Sie auf keinen Fall auf die Inhalte der Eingriffe ein und rechtfertigen Sie sich keinesfalls oder starten einen Gegenangriff auf ähnliche Art und Weise. Äußern Sie Ihre Betroffenheit über die ungerechte Art, die Ihnen widerfährt. Teilen Sie Ihre Gefühle über die Verletzung mit und wünschen Sie sich eine sachliche Gesprächsebene.

Nr. 3: Steigen Sie aus dem „Tanz“ aus!

Beenden Sie das eingefahrene Verhaltens- und Streitmuster. Reagieren Sie anders als sonst. Überraschen Sie mit unvorhergesehenen Verhaltensweisen.

Nr. 4: Der Weg ist das Ziel!

Wer ständig aggressiv reagiert, hat keine Alternativen. Bedenken Sie, dass die Aggressivität mit den Gefühlen Ihres Gegenüber, nicht mit Ihrer Person zu tun hat. Bringen Sie ihm Verständnis entgegen und bieten Sie ihm die Möglichkeit sein Verhalten zu ändern.

Nr. 5: Ein zartes Stimmchen kann Mauern zum Einstürzen bringen!

Wenn Ihr Gegenüber laut wird, werden Sie leise. Spielen Sie mit der Lautstärke. Gewinnen Sie zum zuhören, indem Sie leiser werden, statt zu brüllen.

Nr. 6: Hurra! Ein Konflikt!

Wenn ein Konflikt droht, gehen Sie ihn an, nicht aus dem Weg. Jeder Konflikt bietet Chancen zur Lösung und zu neuen Wegen und Erkenntnissen, sowie Weisheiten.

Nr. 7: Die Dosis macht das Gift!

Eine schlagfertige Antwort bedeutet nicht, dass wir doppelt so hart verletzen, wie es mir angetan wurde. Es geht nicht darum, härter zuzuschlagen, sondern darum, wieder eine konstruktive Gesprächsebene zu finden. Ein Quäntchen Unmut genügt.

Nr. 8: Niemals mit Kanonen auf Spatzen schießen!

Überprüfen Sie, ob Ihre Souveränität durch einen verbalen Angriff bedroht ist. Oder haben Sie lediglich das Gefühl des Gesichtsverlustes? Differenzieren Sie! Wägen Sie die Wahl Ihrer Waffen genau ab. Ungebührliches Zurückschlagen bringt Sie nicht in eine günstigere Position, sondern schwächt Sie. Schnell kommen wir von der Opfer in die Täterrolle.

Nr. 9: Nicht jeder kann Churchill sein!

Vorbilder stehen im Wege, wenn es um Schlagfertigkeit geht. Die schlagfertigen Verhaltensmuster müssen sowohl zu Ihnen wie zur Situation passen. Wenn jeder weiss, dass Sie regelmäßig Anleihen von Eddy Murphy nehmen, heissen Sie bald selber so.

Nr. 10: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass einem der Kragen platzt!“ (Ringelnatz)

Sind Sie einem verbalen Angriff ausgesetzt, kontern Sie mit Humor. Eine witzige Antwort kann den Gegner buchstäblich entwaffnen und wahrt Ihre Souveränität. Darüber hinaus wechseln Sie die Ebene (Ausstieg aus dem Tanz), wenn Sie nicht darauf eingehen. Lediglich für Angriffe „unter der Gürtellinie“ eignet sich Humor nicht. In diesem Fall bestehen Sie auf mitteleuropäische Höflichkeitsriten.

Definition von verbalen Angriffen/Konflikt:

Als verbalen Angriff bezeichnet man einen Angriff mit Worten in der Absicht, zu verletzen oder zu kränken. Häufig ist hierbei ein Überraschungsmoment zu erkennen. Der Angriff wird sozusagen aus dem Nichts heraus erlebt. Er verletzt unsere Souveränität und Gelassenheit.

Wird der Angriff mit einem Gegenangriff beantwortet, entsteht ein Streit. Die Kontrahenten verletzen sich gegenseitig.

Ein verbaler Angriff erfolgt in der Regel im Rahmen eines Konfliktes. Hierbei ist es notwendig, sich den Ablauf zu vergegenwärtigen.

Verbale Angriffe und Konflikte sind untrennbar miteinander verbunden.

Bei beginnenden oder nicht ernst genommenen Konflikten tritt fast keine Verhaltensänderung ein.

In der Folge muss immer mehr Kraft aufgebracht werden. Diese fehlt dann in der täglichen Arbeit. Für Außenstehende wirkt das gleichgültig und motivationsarm.

Gegen Ende kann dann nur ein Wutausbruch folgen.

Der Konflikt; ein Definitionsversuch:

„Conflictus“ bedeutet: aufeinander stoßen

„Conflicatio“ hat zwei unterschiedliche Dimensionen: Aufeinanderstoßen zweier Körper und die eher übertragene dynamische Bedeutung, die sich auf eine verbale und körperliche Ebene bezieht, nämlich Streit, Diskussion und Kampf

Konflikt steht meist im negativen Kontext und ist ein „Zeitfresser“. Können Sie sich vorstellen, pro Woche einen Arbeitstag für die Lösung von Konflikten zu verwenden?

Genau dies tun Führungskräfte mit dem Verhindern, Aufdecken oder Bearbeiten von Konflikten.

Jeder Konflikt, besonders, wenn er konstruktiv ausgetragen wird, beinhaltet Möglichkeiten der Veränderung, der Verbesserung, des Fortschritts, der Meinungsvielfalt und Lösung von Problemen.

Diese Chance rinnt uns wie Sand durch die Finger, wenn wir verbal angegriffen werden. Obwohl sich solche Aktionen lautstark anhören, tritt meist mit den ersten lauten Worten Sprachlosigkeit ein.

Durch die richtige Aktion oder richtige Wortwahl wird aus der Sprachlosigkeit wieder ein kreativer Prozess, der vielfältige positive Veränderungen in sich birgt.

Begreifen wir positiv: „Interessanter Konflikt! Ich werde ihn lösen!“ Diese Denkweise erfordert Selbstbewusstsein (Bewusstsein über das eigene Können, die eigene Sicherheit).

Konfliktanalyse

Im Gegensatz zu einer Situation, in der ein Konflikt strukturiert angegangen wird, mit dem Ziel ihn zu lösen, ist das Agieren nach einem verbalen Angriff ein anderes Problem. Es wird versucht, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Der Konter soll nicht vernichten, sondern eine Situation auf Augenhöhe schaffen, also sich gleichberechtigt gegenüber zu treten.

Grundsätzliche ist zu sagen, dass in allen vorherrschenden Konflikten drei Grundelemente zu erkennen sind: Interesse , Regeln und Macht.

Der persönliche Hintergrund

Die Art, wie jemand auf verbale Angriffe reagiert ist abhängig von seiner Lerngeschichte, dem Ausmaß seiner Sicherheit, dem Grad seiner Angst und von seinen Erfahrungen mit Konflikten und dessen Lösung. Die Verhaltens- und Erlebnisweisen der Menschen sind hier sehr verschieden.

Systeme

Wir leben in Zusammenhängen, in Systemen, die die Art beeinflussen, wie wir Regeln entwickeln und verändern. Wenn zwei Partner gemeinsam eine Familie gründen, kommen die verschiedenen Regeln zweier Ursprungsfamilien zusammen und es werden neue gebildet. Ein neues System entsteht. Beide Partner haben jeweils ihre Art mit Konflikten umzugehen. Dies liegt zum einen an den verschiedenen Kommunikationsstilen von Frauen und Männern, zum anderen an den unterschiedlichen Systemregeln. Hier kann sich schnell ein Tanz entwickeln! Beide Partner erwarten vom anderen, dass er/sie zuerst sein/ihr Verhalten ändert. Man kann jedoch nie andere verändern, nur sich selbst!

Ziele

Um neue Wege zu gehen, Veränderungen einleiten zu können, brauchen wir klare Ziele. Wenn die Hoffnungen und Vorstellungen geklärt sind, kommen wir zu den Zielen hinter den Zielen. „Was ist sichergestellt, wenn wir unser Ziel erreicht haben? Warum wollen wir dieses Ziel erreichen?“

Persönlichkeit

Häufig kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, stets in die gleichen Konfliktmuster zu geraten. Der Mensch neigt dazu, in bestimmten Situationen seine „Programme“ zu aktivieren, selbst wenn sich dieses Verhalten nicht bewährt hat.

Menschen können Verhalten verändern!

Eine Veränderung ist über die Ebene der Gedanken und Bewertungen möglich. Gelingt es die eigene Weltanschauung zu überprüfen, sowie Gedanken und Regeln zu verändern, so kann dies lebenserleichternd wirken und mehr positive Erlebnisse ermöglichen. (siehe Johari-Fenster)

Selbstsicherheit

„Nicht die Dinge selbst beunruhigen den Menschen, sondern seine Vorstellung von den Dingen.“ (Epiket)

„Nichts ist weder gut noch schlecht, das Denken macht es so.“ (Skakespeare)

Selbstsicheres Verhalten ist abhängig von den Erfahrungen, die in der Kindheit gesammelt wurden. Laut einer Untersuchung sind Kinder bis zum 5. Lebensjahr häufig bereits mehr als 40.000 mal getadelt worden, im Durchschnitt 22 Tadel pro Tag. Diese Tadel führen zu Selbstzweifeln, Ängsten, Hemmungen und Ängsten vor Ablehnung, sowie Angst zu versagen. Es entsteht eine Angst, andere könnten uns kritisieren, weil wir uns selbst für den Fehler kritisieren.

In diesem ABC der Gefühle ist die Veränderung der Bewertung möglich und damit wiederum die Veränderung der Verhaltensweisen. Tatsächlich sind Menschen in der Lage eine Ablehnung oder Kritik zu ertragen. Selbstsicheres Denken hilft also, sich so zu fühlen und zu verhalten, wie sie es möchten. Großzügigkeit sich selbst gegenüber ist dabei hilfreich.

Angst und Hemmungen

Die Erwartungshaltung beeinflusst in hohem Maße das Verhalten. Angst ist primär ein Gefühl, das ein Warnsystem in Gang setzt, das als gefährlich interpretiert wird. So gelangt man schnell in einen Teufelskreis der Angst.

Weiterhin bewirken die Gedanken, die ein bestimmtes Ergebnis erwarten, auch das Verhalten, sich selbst erfüllende Prophezeiung. Die Gedanken „programmieren“ das Verhalten.

Kann man Schlagfertigkeit lernen?

Natürlich kann man alles lernen. Unser Gehirn hat eine riesige Speicherkapazität und arbeitet mit Bildern und Verknüpfungen.

Fünf Phasen des Umlernens

  1. Theoretische Einsicht
    Man weiss bereits, welche Gedanken nicht hilfreich sind und wie man diese ersetzen möchte.
  2. Übung
    Hier werden die neuen Gedanken und Verhaltensweisen eingeübt. (Vorstellung in realen Situationen)
  3. Widerspruch zwischen Bauch und Kopf
    Man hat das Gefühl, sich mit den neuen Gedanken selber etwas einzureden. Hier ist es wichtig am Ball zu bleiben und dennoch auf seinen Verstand zu hören. Bei konsequenter Übung wird sich die eigene Befindlichkeit entsprechend angemessen verändern.
  4. Kopf und Bauch stimmen überein
    Man fühlt sich so, wie man denkt.
  5. Neue Gewohnheiten
    Nun sind die neuen Denk- und Verhaltensmuster in Fleisch und Blut übergegangen.

Dieser Lernprozess braucht Zeit und Geduld, aber auch Motivation und Lust auf Veränderung.

Techniken einsetzen

Es ist sinnvoll, sich einen Schritt aus dem Teufelskreis zu entfernen und die Situation von außen zu betrachten. Schulz von Thun spricht von einem „Feldherrnhügel“, von dem aus man die Situation mit Abstand betrachtet, um in aller Ruhe eine Strategie zu entwickeln bzw. anzuwenden.

Einfache Techniken zu üben erlaubt auch bei Überraschungsangriffen eine Erwiderung, die sicher und geübt vorgebracht werden kann, z.B.

Loriot-Technik

„Ach was“, „Wirklich?“, „Sieh an“ verhindern weitere aggressive Äußerungen

aktives Zuhören

Wenn es gelingt, die verschiedenen Aussagen auf den vier Ebenen deutlich zu machen, kann eine Klärung der Situation erreichen.

„Was meinst Du damit?“, „Warum bist Du so sauer?“, „Was erwartest Du von mir?“

Genau-Technik

„Ganz genau, das macht die Arbeit viel angenehmer.“

„Entschuldigung“

Wird von Frauen oft benutzt und ist für Männer schwer vorstellbar. z.B.: „Tut mir Leid, ich werde mich heute noch darum kümmern.“

Wie-bitte-Technik:

„Wie bitte? Ich habe Sie nicht verstanden.“

Aktion

  1. Beschimpfung stoppen: „Grenzen setzen“
  2. Beschimpfung verstehen: „Worüber genau sind Sie denn wütend?“
  3. Verhaltensveränderung einfordern: „Sag mir, worüber du dich ärgerst, statt mich zu beschimpfen?!“
  4. Anderes Verhalten ermöglichen: Zeit nehmen, nachfragen

Fragen: eine Variante rhetorischer Vielfältigkeit bei der Abwehr von verbalen Angriffen.

Nach wie vor gilt: Wer fragt, der führt. Fragen selber sind erst einmal neutral. Fragen können führen und verführen, Informationen abrufen oder Interesse signalisieren, Kontakt schaffen oder ihn abbrechen. Fragen sind ein herrliches Instrument, Kommunikation wirklich zu gestalten.

Toleranz, Empathie, Authentizität und Kongruenz

Es ist klar geworden, dass in einer Auseinandersetzung die besten Chancen bestehen, wenn es keinen offenen Schlagabtausch gibt. Ist man in der Lage, sich in den Kontrahenten hineinzuversetzen, kann die Auseinandersetzung durchaus eine positive Wendung nehmen. Diese Fähigkeit, Einfühlungsvermögen zu zeigen, nennt man „Empathie“.

Toleranz bedeutet, erst einmal zu akzeptieren, dass es mehrere Wahrheiten gibt.

Wut kann man nicht unterdrücken. Nach kurzer Zeit sucht sie sich ihren Weg. Früher oder später kommt es zum Ausbruch, meist in potentierter Form. Wir zeigen nach außen, dass wir wütend sind. Dieses Verhalten wird Kongruenz genannt. Betroffenheit wird gezeigt und mithilfe von Ich-Botschaften zurückgemeldet.

Bleibt noch der Begriff der Authentizität. Damit ist gemeint, dass sich der Betroffene nicht verstellen soll.

Frage immer nach Interessen, nie nach Schuld

Immer, wenn man in einer Streitsituation nach der Schuld fragt, wird man es schwer haben, eine Lösung zu erzielen, da alle Beteiligten den Konflikt aus einer anderen Warte betrachten. Es geht um Interessen. Schafft man es, diese zu erkennen, hat man eine Verhandlungsbasis gefunden.

8 Prinzipien für die Konfliktlösung

  1. Interessen
    Beziehe Dich auf die Interessen und nicht auf die Positionen.
  2. Menschen
    Unterscheide zwischen den Menschen und dem Problem.
  3. Optionen
    Überlege dir viele Handlungsmöglichkeiten.
  4. Kriterien
    Achte darauf, dass das Ergebnis allgemein verbindlichen Kriterien genügt.
  5. Wahrheit
    Es gibt mehrere Wahrheiten!
  6. Mittel
    Beachte die Einheit von Mittel und Ziel.
  7. Prämissen
    Halte dich an Prinzipien und baue darauf deine eigene Strategie auf.
  8. Macht
    Macht ist die Fähigkeit, die eigenen Ziele zu erreichen, nicht, andere zu bestrafen!

Fazit

„Nicht jedes Problem ist eine Auseinandersetzung wert. Nehmen Sie sich Zeit für eine Klärung Ihrer persönlichen Interessenslage. Finden Sie heraus, wie wichtig Ihnen der Konflikt und das zugrundeliegende Problem wirklich sind. Stellen Sie sich vor, welche Konsequenzen, ob beabsichtigt oder nicht, ein solcher Konflikt für Sie haben könnte. Berücksichtigen Sie dabei neben Ihrer beruflichen Existenz auch Ihre persönliche Lebenssituation.“

(Quelle: Christine Fischer/Jürgen Reitemeier: Verbale Angriffe, Jokers Edition)