Die pandemiebedingte Extremsituation wirkt sich auch auf die Mitarbeiter aus, so dass sich Konflikte im Team schnell hochschaukeln können. Wie Praxischefs trotzdem für mehr Frieden sorgen können, weiß die renommierte Beraterin Michaela Lückenotto, die sich seit vielen Jahren auf das Gesundheitswesen spezialisiert hat.
Frau Lückenotto, welche Konflikte kommen in Arztpraxen vor?
Zurzeit muss man auf allen Ebenen Druck aushalten. Das wirkt sich auch auf die Arbeit aus, da es schneller zu Auseinandersetzungen kommen kann. Grundsätzlich unterscheidet man dabei Konflikte auf der persönlichen und der fachlichen Ebene. Bei Letzterer entsteht der Konflikt, weil Mitarbeitende unterschiedliche Herangehensweisen haben, um eine Aufgabe auszuführen. Im stressigen Praxisablauf laufen nicht alle Abläufe abgestimmt. Daraus resultiert weiterer Stress und es hagelt „gutgemeinte“ Ratschläge, wie es am besten zu laufen hat. Spitzt sich die Situation zu, geht es schnell in den Konflikt-Keller.
Wie dämmt man Konflikte auf der Fachebene ein?
Das Wichtigste ist eine klare Zuteilung der Aufgaben. Man kann mithilfe eines Organigramms festhalten, wer was macht. Hilfreich ist auch ein QM-Handbuch, in dem alle Abläufe skizziert sind. Dann weiß jeder, für was er zuständig ist und Lieblingsaufgaben werden nicht doppelt oder ungeliebte gar nicht gemacht. Bei jeder Veränderung, wie der Einstellung einer neuen MFA, sollte wieder neu festgelegt werden, wer welche Aufgaben übernimmt.
Wie äußern sich Konflikte auf der persönlichen Ebene?
Was mir bei meinen Praxiscoachings immer wieder begegnet, ist ein typischer Konflikt bei vielen jungen Teammitgliedern. Junge MFA suchen häufig auch auf der persönlichen Ebene Zuspruch und Rat. Teilweise auch Verbündete, wenn sie sich unfair behandelt fühlen. So teilt eine zum Beispiel mit einer Kollegin im Ver- trauen Privates. Diese meint es zwar nicht böse, erzählt es aber weiter. Das verletzt die Erste zutiefst, weil sie sich verraten fühlt und der Praxissegen hängt schief.
Welche Folgen hat das auf die Leistungsfähigkeit?
Solche Unstimmigkeiten wirken sich negativ auf die Motivation und Leistung der Betroffenen und später auf das gesamte Team aus. Ein Domino-Effekt! Wenn zwei Rangeleien miteinander haben, findet keine gute Abstimmung untereinander statt. Denn die Aufmerksamkeit liegt nicht auf der Arbeit, sondern auf der anderen Person. Ein weiteres Problem ist: Wenn die Stimmung schlecht ist, spüren das die Patienten sofort. Sie bekommen das ungefiltert und schneller als der Chef mit, weil sie im Durchschnitt mehr Zeit mit dem Team verbringen.
Gibt es andere typische Konflikte?
Ein exemplarisches Beispiel habe ich vor Kurzem erlebt. In einer Praxis gab es mehrere gleichberechtigte Partner. Immer wieder gab es Unzufriedenheit in Bezug auf das Engagement und den Arbeitseinsatz, sowie die prozentuale Vergütung der organisatorischen und personellen Aufgaben. Hilfreich ist hier eine schriftliche Vereinbarung, die regelmäßig überprüft und angepasst wird. Die Vergangenheit zu regeln ist recht schwer, doch für die Zukunft bringt es viel Klarheit.
Welche Gründe gibt es noch?
Der Flaschenhals können auch Chefs sein. Manche Ärzte haben ihre Teams so strukturiert, dass alles darauf ausgerichtet ist, es ihnen passend zu machen. Wenn der Chef gut gelaunt ist, dann fluppt es auch im Team. Ist er aber in schlechter Stimmung, läuft es auch im Team schlecht.
Wie können Konflikte im Team gelöst werden?
Meist ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, wenn Chefs den Konflikt bemerken. Es hat sich bewährt einzugreifen und zu unterstützen, damit nicht die gleiche Situation in der nächsten stressigen Situation wieder aufkommt. Erst einzeln und dann gemeinsam lassen sich im geführten Gespräch die Konfliktpunkte finden und für die Zukunft eine tragfähige Vereinbarung treffen.
Wie gestaltet man Konfliktgespräche?
Am besten beginnt man mit einer offenen Frage: „Was ist da passiert?“ So hat das Gegenüber die Möglichkeit, aus seiner Per- spektive zu berichten. Nicht empfehlenswert ist eine Eröffnung wie: „Deine Kollegin Rosa hat sich über dich beschwert.“ Das drängt den anderen in die Rechtfertigung. Weitere offene Fragen helfen, sich ein neutrales Bild zu machen: Wie lange läuft das schon? Welche Auswirkungen hat das? Findest du es gut? Wenn die oder der Angesprochene äußert, dass die Situation negativ erlebt wird, hakt man nach: „Wie wäre der ideale Ablauf gewesen?“ Aus den Antworten kann eine gemeinsame Lösung erarbeitet und festgehalten werden: „Klasse, das ist der Weg, den wir künftig im Team brauchen für gute Ergebnisse und ein gutes Miteinander.“ Bedeutsam ist, dass Chefs am Gesprächsende betonen: „Es wichtig, dass wir unsere Lösung nachhalten, damit es uns allen bessergeht.“ Zudem sollten sie den Betreffenden danach immer wieder ein positives Signal vermitteln, wenn sie sehen, jetzt läuft es gut. Das kann ein freundliches Augenzwinkern sein oder ein kurzes Daumenhoch. Dies unterstützt die emotionale Bindung an die Praxis und aus dem Konfliktgespräch wird ein Motivationsgespräch.
Wie wird das Entstehen großer Konflikte vermieden?
Es hat sich bewährt, einmal pro Woche eine Teambesprechung abzuhalten. Die Agenda sollte stets gleich sein: ein paar Punkte zu fachlichen und organisatorischen Aspekten sowie am Ende eine Thematisierung des Stimmungsbilds. Wenn das Vertrauen da ist, dann kommen so frühzeitig Hinweise ans Tageslicht. Und je früher Reibereien geklärt werden, desto kleiner ist die Welle, die sie verursachen.
(Quelle: Arzt & Wirtschaft 01/2022)