Was macht zusätzlich Stress im Praxisalltag?

Welche Routinen braucht es aktuell, um einen funktionierenden Praxisalltag zu gestalten? Die letzten zweieinhalb Jahre haben viel gefordert von jedem in der Praxis. Jeden Tag gab es zusätzliche Anforderungen, die umgehend umgesetzt werden mussten. Eine hohe körperliche und emotionale Belastung für jeden in der Praxis. Es blieb so gut wie keine Zeit für Absprachen oder gute Abstimmungen, was teilweise zu Mehrarbeit und Mehrbelastung bei jedem Einzelnen geführt hat.

Der Praxisalltag ist deutlich dichter geworden. Neben den bekannten Praxisaufgaben kamen weitere Hygienepflichten, Impftermine und Dokumentationen hinzu. Viele Teams haben auch diese zusätzlichen Aufgaben irgendwie geschafft und sagen gleichzeitig: „Ich kann nicht mehr!“ Immer mehr fühlen sich ausgelaugt und erschöpft. Kurzfristig ist es immer möglich zusätzliche Aufgaben zu erfüllen. Auf Dauer fallen dadurch jedoch wichtige Routinen, wie Abstimmungen und Besprechungen unter den Tisch, um Zeit zu sparen. Zusätzlich beeinträchtigt der Druck die Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Permanenter Druck tut nicht gut. Er hinterlässt Spuren. Spuren bei jedem in der Praxis. Auch bei den Patienten, die nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die es braucht und sich im schlimmsten Fall wie Nummern fühlen.

Viele Menschen vernachlässigen, wie es ihnen geht. Sie funktionieren irgendwann nur noch. Die Aufgaben werden erfüllt. Jedoch rückt der dahinterstehende Sinn, das Anliegen „Menschen wieder mobiler und gesunder zu machen“ immer weiter in den Hintergrund. Die Aufgaben an sich rücken in den Vordergrund. Jeder arbeitet die Aufgaben nach Dringlichkeit ab. Häufig ohne Abstimmung, da dafür keine Zeit ist. Ein Teufelskreis, der nicht nur körperlich ermüdet, er frustriert. In der Frustration geht nicht selten das Gefühl füreinander verloren. Das Team arbeitet zwar in der gleichen Praxis, jedoch nicht immer an den gleichen Aufgaben. Aufgaben werden zum Teil doppelt gemacht oder gar nicht. Am Ende des Tages wurde sehr viel gemacht. Das Gefühl etwas geschafft zu haben bleibt jedoch aus. Negativer Stress führt oft zum Tunnelblick. Wir verlieren den Überblick und entfernen uns voneinander. Je weniger wir im Gefühl füreinander sind, umso eher vergreifen wir uns im Ton und um so weniger wird zusammengearbeitet. Auf Dauer verhärtet sich die Kommunikation untereinander und jeder arbeitet vor sich hin, ohne auf den anderen zu achten. Es entsteht nicht selten das Gefühl, dass alle Aufgaben bei einem selbst hängen ohne Möglichkeit auf Verbesserung.

Höchste Zeit also, sich mal wieder um sich selbst zu kümmern, damit sich alle in der Praxis wieder medizinisch und menschlich in den besten Händen fühlen.

Sie sagte bereits Goethe: „Wenn du es eilig hast, dann gehe langsam.“

Kommen die Anforderungen hauptsächlich von außen, dann wird reagiert. Wir arbeiten noch schneller, um alles schaffen zu können. Mit dem Ergebnis, dass die Arbeit eher mehr als weniger wird. Egal wie viel wir machen, es wird gefühlt immer mehr. Wir verlieren den Blick fürs Wesentliche und für die Menschen um uns. Doch gerade das ist es, was wir Menschen so dringend benötigen in turbulenten Zeiten. Das Gefühl, gemeinsam bekommen wir es hin.

Gemeinsam sind wir weniger einsam.

Gemeinsam schaffen wir mehr. Innehalten und den Sinn der Tätigkeit wieder in den Vordergrund stellen und nicht die Aufgaben an sich. Von der Reaktion in die Aktion gehen. Was macht den Unterschied im Täglichen tun? An welchen Stellen arbeiten wir aneinander vorbei, da wir uns nicht die Zeit zur Abstimmung nehmen? Welche Tätigkeiten sind besonders anfordernd und benötigen eine gute Organisation und Planung? Gibt es ausreichend Pausen, um sich körperlich und geistig gut zu erholen? Selbstfürsorge ist einer der wichtigste Punkt für gute Ergebnisse. Wann war das letzte Mal Zeit für die eigenen Belange? Wann haben wir uns umeinander gekümmert und gemeinsam an Lösungsansätzen gearbeitet? Wann haben wir die getane Arbeit gewürdigt, anstatt den noch offenen Aufgaben Aufmerksamkeit geschenkt?

Genau hier ist der Wendepunkt von der Reaktion in die Aktion.

In regelmäßigen Abständen gemeinsam zu reflektieren und anzupassen, damit möglichst viel Zeit für und mit den Menschen zur Verfügung steht. In der Ruhe liegt bekanntlich die Kraft. Es braucht den Blick zurück, um den Weg nach vorn zu gestalten. Die richtigen Dinge tun, um dann die Dinge richtig zu tun. Eine wichtige Managementregel, um sich nicht im Praxisalltag zu verlaufen. Es braucht häufig eine Routine der Ruhe, um im turbulenten Praxisalltag ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Eine Minute Planung bringt nicht selten fünf Minuten Zeit. Zeit für die richtigen Dinge. In einem solchen Umfeld ist es wirklich möglich: hilfreich zu sein. Physisch und psychisch – für jeden Patienten und jedes Mitglied im Team.

Es braucht eine gemeinsame Kultur in der Zusammenarbeit und Kommunikation. Routinen zur Reflexion und Anpassung an die ständig wechselnden Anforderungen. Klarheit und Transparenz in den Abläufen und gemeinsamen Zielen. Austausch und gegenseitige Unterstützung, um langfristig selbst gesund zu bleiben und den Patienten die Unterstützung zu geben, die sie benötigen. Hilfreich sind kurze, regelmäßige und strukturierte Team-Treffen. Eine gute Moderation führt die Anliegen zusammen und leitet Aufgaben daraus ab. Die Ergebnisse werden in jedem Treffen aufgegriffen, reflektiert und bei erfolgreicher Erledigung auch gefeiert. So halten alle Teammitglieder das gleiche Ziel im Fokus, die Kommunikation wird geführt und es entsteht ein Gleichgewicht zwischen Erreichtem und Gefordertem.

Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Weiterentwicklung der Strukturen und Mitarbeiter. Dadurch steigern Sie die Gesundheit im Team und die Ergebnisse in der Praxis, besonders in turbulenten Zeiten.

Viele Freude in und an Ihrer Praxis wünscht Ihnen

Ihre Michaela Lückenotto

Coachin, Mediatorin und Fachwirtin im Gesundheitswesen